Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert entstanden im Norden des spanischen Vizekönigreichs Neuspanien Ordensniederlassungen der Franziskaner und Jesuiten. Beginnend von der Hauptstadt Mexiko eröffneten die Franziskaner die Mission Ende des 16. Jahrhunderts, bei der sie bis in die Gebiete der Pueblo-Völker vordrangen (Gebiete heute innerhalb des US-Bundesstaats New Mexico). Dem folgten die Jesuiten – fast ein Jahrhundert später – um den Nordwesten Neuspaniens bis ins Territorium der O‘odham (Pimería Alta) (Gebiet heute grenzübergreifend innerhalb des US-Bundesstaats Arizona und dem mexikanischen Bundesstaat Sonora) zu missionieren. Das missionarische Handlungsfeld der Orden unterlag dabei vielschichtigen Voraussetzungen – konkretisierte sich hier an der nördlichsten Grenze des spanischen Kolonialreiches doch territoriale Eroberung und spirituelle Eingliederung in einem besonderen Spannungsverhältnis.
Hierfür hat Michael Sievernich den Begriff der Conquista Espiritual geprägt, welcher dieser Forschungsarbeit maßgeblich zugrunde gelegt wird. Da die Missionare neben ihrer geistlichen Funktion zudem auch als Entdecker und Vermittler tätig waren, erweist sich der Begriff der Conquista Espiritual als eine substantielle Determinante innerhalb der Missionstätigkeit beider Orden. Betrachtet man die Gründung von Missionen innerhalb dieses militärstrategisch und politisch-ideologisch geprägten Handlungsfelds, so treten die architektonische Formensprache der Missionskirchen sowie die gewählten Baumaterialien als bewusst gewählte Zeichen dessen in Erscheinung, so die These der Arbeit.
Der Fokus der Untersuchung wird daher auf der visuellen Bildrhetorik liegen, die die Missionskirchenarchitektur als zentrale Machtkommunikative der politisch-religiösen und sozial-kulturellen Interessen sowie als Träger differenzierter Erinnerungen markiert. In dem, von Horst Gründer geprägten, Verständnis eines politisch-kulturellen Transformationsprozesses mit dem Ziel der Verdrängung des „indianischen“ Erbes und der Implementierung der europäisch-christlichen Kultur, lässt sich zudem eine Eigendynamik der beiden christlichen Orden erkennen, die sich aus ihren Bauaktivitäten ableiten lässt. Differenzen werden besonders an der Stelle deutlich, an der die Jesuiten 1767 aus Neuspanien ausgewiesen und ihre Missionen von den Franziskanern übernommen wurden.
Die Frage, ob und in welcher Form die Franziskaner und Jesuiten Adaptionen „indigener“ Bauformen im Missionskirchenbau akzeptierten beziehungsweise dies strategisch einsetzten, soll im Rahmen des projektierten Vorhabens beforscht werden. Die Architekturstudie dient damit der Analyse von Prägungen der europäischen Architektur und der lokalen Baukultur, wie sie in unterschiedlichen Positionen von Akkulturation und Transkulturation sichtbar werden. Das prägende Verhältnis von Architektur auf unterschiedliche in Verbindung tretende und sich verändernde Kulturen wird mit einer Sicht auf Kultur nach den Konzepten wie dem der Transkulturalität (u. a. nach Wolfgang Welsch), und Hybridität (u. a. nach Homi Bhabha) verknüpft sowie mit Ansätzen kulturwissenschaftlicher Gedächtnistheorien (u. a. nach Maurice Halbwachs, Aleida & Jan Assmann) erarbeitet.