Abgeschlossene Promotion

Gisela Schäffer: Der unschuldige Blick. Leni Riefenstahls Nuba-Fotografien

Leni Riefenstahl trat in den 1970er Jahren mit zwei Fotobänden über die Nuba an die Öffentlichkeit, die sich als herausragender Publikumserfolg erwiesen und ihr nach Jahren der Zurückweisung das Comeback ermöglichten. Doch was bedeuteten diese spektakulären Körperbilder kurz nach der Dekolonisierung Afrikas? Welche projektiven Räume eröffneten sie und für wen? Auch wenn die Fotografie verspricht, die Wirklichkeit zu zeigen, ihre Artefaktizität steht außer Frage. Riefenstahls Fotobücher aktivieren ein visuelles Wissensarchiv gespeist aus kolonialen Bildstereotypen, primitivistischen Kunsttopoi und Reflexen nationalsozialistischer Körperpolitik. Sie entwickeln eine Semantik des „Anderen“ aus der Opposition von Schwarzheit und Naturverhaftung gegenüber Weißheit und Zivilisation, verquickt mit dem Fiebertraum von Heroismus, Unschuld und ungebremster Sexualität.

Die Nuba-Bücher fügen sich ein in die Remythisierung des afrikanischen Kontinents, die sich nach dem Zusammenbruch der Kolonialimperien in den Illustrierten spiegelt. Künstler wie Ousmane Sow, Lisl Ponger, Robert Mapplethorpe, Mike Sale und Iké Udé haben darauf reagiert und lassen einen weiten Bogen der künstlerischen Dekonstruktion aufspannen, der die Umkämpftheit der Deutungen vor Augen führt.Die diskurskritische Studie widmet sich Riefenstahls Nuba-Fotographien erstmals umfassend aus der Sicht der Kunstgeschichte, um eines der populärsten Beispiele in der nachkolonialen Produktion von Bildern afrikanischer Körper auf seine vielschichtige psychosoziale und politische Funktionalisierung hin zu durchleuchten.